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selbst bestimmtes Ende

Ein selbst bestimmtes würdiges Ende

Wer entscheidet über unseren Tod, wenn wir ihn selbst herbeiführen „wollen“?

Eine spannende und gleichzeitig extrem schwierige Frage, die im Forum zur Diskussion stand!

Wenn das Leiden unerträglich wird, brauchen wir das Recht auf ein würdevolles und selbst-bestimmtes Sterben.

Nach dem Urteil vom Februar 2020 des BVerfG ist es erlaubt, einem Menschen Hilfe zu leisten, der seinem Leben ein Ende setzen möchte. Damit ist der rechtliche Aspekt geklärt. Ethische, moralische und religiöse Argumente für ein Für und Wider stehen im gesellschaftlichen Diskurs.

Unter „Selbstbestimmt Leben und Sterben“ haben wir im Forum versucht, dieses komplexe Thema zu bearbeiten. Julia hatte sich bereit erklärt, den entsprechenden Thread zu moderieren. In diesem Thema Stellung zu beziehen erfordert Mut und Risikobereitschaft, sich zu exponieren, es bringt mit sich, angreifbar und verletzt zu werden. An diesem Thema entspann sich eine der umfang- und inhaltsreichesten Diskussionen im Forum. Als dieser Text geschrieben wurde waren es schon 138 Beiträge.<

TV-Diskussion
Parallel wurde der Fernsehfilm „Gott“ von Ferdinand von Schirach„ ausgestrahlt. Samt anschließender Diskussion bei „Hart aber fair“. Dem Film liegt die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 über Sterbehilfe zugrunde.

In seinem Urteil hatte das Gericht explizit erkannt, dass der Tod zum Leben gehöre und es deshalb jedermann freistehe, sein Leben selbst zu beenden. Und dafür könne dann auch Hilfe in Anspruch genommen werden.
In § 217 StGB war die „geschäftsmäßige„ Bereitstellung von Sterbehilfe unter Strafe gestellt worden. Dies entspricht nach dem Urteil nicht der Verfassung.

Arten der Sterbehilfe

·Suizid (straffrei)

Suizidbeihilfe (straffrei, da es der Suizid ist)

·Sterbehilfe:

Indirekte Sterbehilfe: Inkaufnahme eines früheren unbeabsichtigten Todeseintritts infolge einer medizinisch indizierten leidens- oder schmerzmindernden Therapie (straffrei)

Behandlungsabbruch im Einklang mit Patientenwillen (straffrei)

Tötung auf Verlangen (strafbar)

Handhabung in anderen europäischen Ländern

In der Schweiz, Holland und Belgien, aber auch in Kanada und einigen US-Bundesstaaten sind teilweise mehr Möglichkeiten zur Sterbehilfe erlaubt als in Deutschland.

Ratgeber Patientenverfügung

Belgien: Dort ist Sterbehilfe seit 2002 unter verschiedenen Bedingungen erlaubt.

Schweiz: Die Schweiz gilt als Sterbehilfe-Hochburg Europas. Im Gegensatz zu anderen Ländern erlaubt die Schweiz auch Ausländern, bestimmte Formen der Sterbehilfe ain Anspruch zu nehmen.

Luxemburg: Seit 2009 gibt es in Luxemburg ein Gesetz für den assistierten Suizid. Demnach können Ärzte sterbewillige Patienten unter bestimmten Bedingungen mit aktiver Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid unterstützen:

Niederlande: Die Niederlande haben aktive Sterbehilfe als erstes Land weltweit legalisiert. Seit 1993 ist aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmten Voraus-setzungen erlaubt.

Der Suizid aus Sicht der Religionen

Der Suizid im Christentum wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein als Sünde angesehen, in der katholischen Kirche als Todsünde.
Der Suizid im Judentum ist nur auf die Weise akzeptiert, wenn er einen Götzendienst, einen Inzest oder einen Mord verhindert.

Das Töten ist im Islam aus keinem Grund erlaubt.
Manche Islamisten erklären, dass sie im Namen von Allah nicht nur anders gläubige Menschen, sondern auch sich selbst töten.
Im Buddhismus ist der Suizid nicht verboten. Allerdings schadet sich der Mensch mit dem Freitod, denn er löst keine Probleme.

Das Sterbefasten

Neben den Grundsatzthemen wurden auch „Methoden“ diskutiert. Zum Beispiel das Sterbefasten, bei dem man auf bestimmte Nahrungsbestandteile verzichtet. Das Sterbefasten hat eine Sonderstellung, weil die Methode ganz sicher selbstbestimmt ist und deshalb nicht unter Strafe gestellt werden konnte. Allerdings haben Ärztebefragungen in Deutschland ergeben, dass das Verfahren hier nur selten praktiziert wird.

Sterbefasten hat eine lange Tradition und wurde früher auch als „Todesart der Philosophen„ bezeichnet.
Es ist an drei Bedingungen geknüpft:

- Fähigkeit zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.

- Absicht, den Eintritt des Todes zu beschleunigen durch Verzicht auf Flüssigkeitsaufnahme.

- Freiverantwortliche Entscheidung

Diese Methode hat den Vorteil, dass man die Entscheidung im Verlauf mehrerer Tage wieder rückgängig machen kann. Diese Art des Suizids ist vergleichsweise gut akzeptiert.Die Aufgabe der Ärzte und Pflegenden beschränkt sich darauf, die Freiwilligkeit des Entschlusses zu prüfen und, falls dieses nicht gegeben ist, palliative Maßnahmen zu treffen.


Palliativversorgung

Kann Palliativversorgung bei Parkinson-Erkrankten eine Alternative zur Sterbehilfe sein?
Wenn eine Erkrankung austherapiert, also nicht mehr heilbar ist, können nur noch Symptome gelindert werden. Beispielsweise können Schmerzmittel verabreicht werden. Dies nennt man Palliativversorgung.

Die Palliativheilkunde deckt zwar viel ab, scheint aber für uns Parkinson-Erkrankte im Hinblick auf die Unbeweglichkeit keine adäquate Alternative zur Sterbehilfe zu sein. Anders gesagt: Gerade für uns wäre die Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können, besonders wichtig, weil die Maßnahmen der Palliativversorgung (Schmerzlinderung u.ä.) für uns idR wenig bewirken können: Uns könnte es passieren, unbeweglich ans Bett gefesselt zu sein - bei klarem Verstand. Dagegen hilft keine Palliativmedizin.
Bei der Vielzahl von Überlegungen und Argumentationen gilt es den Überblick zu behalten. PAoL-Mitglied Bernd-Parki ist dabei, für sich selbst ein kleines Papier über Sterbehilfe zu verfassen, um bei der Vielzahl an Varianten, aber vor allem Argumenten und Gegenargumenten, den Überblick wahren zu können.

Angehängte Dateien

Austausch / Gedanken

Neben dieser sachlichen oder abstrakten Diskussion, läuft wahrscheinlich bei jedem von uns noch ein persönlicher Film ab. Dieser Film behandelt Fragen, die wir auch zusammen mit unseren Nächsten im engeren Kreis klären müssen. Wann ist für mich der Zeitpunkt da, zu entscheiden:“So nicht mehr!“. Und wie will ich gehen, so dass ich meine Liebsten nicht durch die Art meines Handelns noch zusätzlich verletze .
So mancher ist der Meinung, dass man den Dingen freien Lauf lassen sollte. Vielleicht weil ich es mir auch nicht zutraue, über eine spätere Lebensphase zu urteilen . Vielleicht auch weil ich zu neugierig bin und alles , was das Leben mir bietet, erfahren will.
Und dann ertappt man sich wieder beim Gedanken: „Das hältst du nicht mehr lange aus, das wird mir jetzt definitiv zu viel“. Und am nächsten Tag genießt man die Glücksmomente des Lebens.

All diese Erfahrungen, die mein Leben reich machen und die mir Kraft geben weiter zu machen, die mich schließlich auch zum Tag führen, wo der Weg zu Ende ist.
Dem Sterbenden und seinen Begleitern bleibt „viel“ Zeit, Ungeklärtes noch aufzuarbeiten, sich zu bedanken, zu entschuldigen, sich die gegenseitige Liebe zu erklären, gemeinsame wertvolle Zeit des Verabschiedens zu nutzen. Es war im Nachhinein eine erfüllte, wertvolle und bereichernde gemeinsame Zeit.

„Selbstbestimmt Leben und Sterben“ braucht Zeit zum Nachdenken, Zeit zum Bilden einer Meinung, Zeit zum Revidieren eben dieser …
Julia moderierte eines der schwierigsten Themen, die es inder öffentlichen Debatte gibt.
Gemeinhin wird es als Tabu angesehen und auch deshalb nicht diskutiert. Oder sehr einseitig.


Ganz herzlichen Dank dafür, Julia


Beiträge im Forum ☞

Fundsachen

Sterbefasten

Schau dir "Uniklinik Köln | Symposium Palliativmedizin: Sterbefasten – Abgrenzung zum Suizid" auf YouTube an

Noch ein Literaturtipp: Das Buch „Menschenwürdig sterben“ (Piper Verlag) von Hans Küng und Walter Jensist weit mehr als „nur“ ein Buch über Sterbehilfe. Es ist vielmehr ein bewegendes, vom persönlichen Schicksal geprägtes und aufklärendes Buch über den Umgang mit dem eigenen Tod mitten im Leben.

Zusammengefasst von Canty 2021-04-05

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